Vom Ergebnis zum Prozess – wie Zusammenarbeit mit KI entsteht

Warum Ergebnisse nicht reichen – und wie Arbeit mit KI zur konzeptionellen Praxis wird

Was wäre, wenn …

Die meisten nutzen KI, um schneller zu Antworten zu kommen. Aber was passiert, wenn man KI einsetzt, obwohl man noch gar nicht weiß, wie die Antwort aussehen soll?

Was bedeutet es, mit KI zu arbeiten, nicht um ein Ergebnis zu erzeugen, sondern um eine erste Vorstellung davon zu entwickeln, was überhaupt entstehen soll?

Und wie verändert sich konzeptionelle Arbeit, wenn KI nicht erst am Ende dazukommt, sondern von Anfang an Teil der Entwicklung ist?

Unsere Vorgehensweise

KI ist heute faszinierend. Wir spüren, wie sich unsere Arbeitsweisen verschieben. Neue Werkzeuge entstehen, Möglichkeiten scheinen grenzenlos, für nahezu jedes Problem gibt es ein Tool, ein Tutorial oder einen Prompt, der eine bestimmte Wirkung erzielt. Von Bild- und Videoerstellung bis zu fertigen Texten oder ganzen Büchern, deren inhaltliche Qualität oft fraglich bleibt.

Diese Entwicklung ist beeindruckend – und sie ist verführerisch.
Denn sie suggeriert, dass für jedes Ziel bereits eine Lösung existiert. Man müsse sie nur finden, kopieren oder richtig anwenden.

Als ich begonnen habe, intensiver mit KI zu arbeiten, habe ich genau dort angesetzt: beim Testen.
Ich habe bewusst unterschiedliche Arbeitsweisen ausprobiert, auch Grenzbereiche betreten und mir angeschaut, wie sich verschiedene Formen der Nutzung nicht nur auf Ergebnisse, sondern auf mein eigenes Denken auswirken.

Dabei wurde mir relativ schnell klar:
Mich interessiert nicht primär, was KI erzeugen kann.
Mich interessiert, wie sich Ziele schärfen, wenn ein sprachbasiertes System Teil des Arbeitsprozesses wird.

Ziel vor Ergebnis

Ich beginne selten mit einer Aufgabe in der Erwartung, eine feststehende Antwort zu bekommen.
Ich habe ein Ziel – aber ich weiß, dass es mehrere Wege dorthin geben kann. Abkürzungen ebenso wie Umwege. Deshalb nutze ich ein LLM nicht primär, um Ergebnisse zu erzeugen, sondern um den Weg zum Ziel zu entwickeln.

Viele Formen der heutigen KI-Nutzung sind ergebnisgetrieben.
Man sucht nach dem besten Prompt, dem richtigen Tool, dem effizientesten Workflow. Das ist legitim – passt aber nicht zu meiner Arbeitslogik als Kreativer.

Wenn ich mit einem System arbeite, das auf Sprache basiert, möchte ich keine fertigen Vorgaben abarbeiten.
Ich möchte verstehen, wo die Grenzen liegen, wie sich ein Ziel im Prozess verändert und wann es sinnvoll ist, ein weiteres Werkzeug hinzuzuziehen – und wann nicht.

Nicht tausend Tools für einen Output.
Sondern ein System so nutzen, dass klar bleibt, warum ich etwas tue.

Das Beispiel: Bildgenerierung – und warum es nicht um Bilder geht

Im Folgenden nutze ich ein Beispiel aus der Bildgenerierung.
Nicht, weil Bilder im Mittelpunkt stehen, sondern weil sich an ihnen besonders gut zeigen lässt, wie schnell Ergebnisse beeindrucken – und wie leicht man dabei die eigene Intention verliert.

Schon ein einfacher Prompt kann ein visuell starkes Bild erzeugen.
Meine erste Reaktion war oft: Schönes Bild.
Die zweite Frage folgte direkt: Ist das wirklich das, was ich ausdrücken will?

Beeindruckt zu sein darf für mich nicht bedeuten, dass ich meine ursprüngliche Vorstellung aufgebe. Gerade bei visuellen Ergebnissen ist diese Gefahr groß.

Einstieg als Dialog, nicht als Prompt

Statt mit einem konkreten Bild zu starten, habe ich die Aufgabe gemeinsam mit der KI definiert.
Nicht als Befehl, sondern als Gespräch.

Sinngemäß:
Ich suche eine Bildsprache für meine Beiträge. Sie soll zu mir passen, ästhetisch anspruchsvoll sein und bewusst keine klassischen Fotos nutzen. Eher abstrakt, eher reduziert. Bist du bereit, das mit mir zu entwickeln? Mir war wichtig, meine Vorstellung zu öffnen, ohne mich und die KI festzulegen. Entscheidend war, ob die Idee im Dialog trägt – nicht das erste visuelle Ergebnis.

Der erste Schritt ist dabei kein Bild, sondern ein sprachlicher Vorschlag. Die KI formuliert zunächst in Worten, wie sie die Aufgabe verstanden hat. Genau hier zeigt sich, ob sie meine Intention richtig erfasst hat – lange bevor ein Bild generiert wird.
Man könnte sagen: Das war doch egal, wie du das formulierst. Für mich war es das nicht.

In diesem Moment verschiebt sich etwas:
vom Modus „Ich liefere ein Ergebnis“
hin zu „Wir entwickeln gemeinsam eine Richtung“.

Wenn ein System auf Sprache reagiert, möchte ich es auch so ansprechen, wie ich es bei einem Kollegen tun würde. Ich will im Denkprozess bleiben – nicht zwischen Kreativität und Prompt-Building hin- und herschalten. Diese Vorstellung prägt meine gesamte Arbeitsweise mit KI.

Rahmen, Vorschlag, Prüfung

Im nächsten Schritt habe ich den Rahmen beschrieben:
Layout der Website, Typografie, Farbwelt, gewünschte Wirkung. Danach habe ich die KI gebeten, einen ersten inhaltlichen Vorschlag zu machen.

Nicht, um ihn zu übernehmen.
Sondern um zu prüfen, ob sie verstanden hat, worum es mir geht.

Erst wenn diese sprachliche Ebene trägt, lasse ich ein Beispielbild erzeugen.

KI-Systeme wirken oft euphorisch in ihrer Tonalität. Das kann motivieren – und täuschen. Hier bleibe ich bewusst wach. Ich lasse Vorschläge entstehen, prüfe sie und beobachte, ob sie in sich stimmig wirken oder an der eigentlichen Idee vorbeigehen.

Oft reicht dieser erste Durchgang, um zu erkennen:

  • Trägt die Richtung grundsätzlich?
  • Ist der Stil passend?
  • Oder wird sehr klar, was ich nicht will?

Beides ist wertvoll.

Kritik als Motor

Das Ergebnis wird nicht übernommen, sondern kritisch betrachtet. Und diese Kritik kommt nicht nur von mir. Ich erkläre meine Vorstellung, hinterfrage das Ergebnis – und bitte gleichzeitig die KI, ihre eigene Lösung zu reflektieren.
Warum wurde dieser Stil gewählt?
Welche Annahmen stecken darin?
Welche Alternativen sieht sie selbst?

So entsteht kein reines Korrigieren, sondern ein gemeinsamer Prüfprozess. Aus den Vorschlägen nehme ich mit, was mich inspiriert – Farben, Licht, Stimmung – oder verwerfe sie vollständig. Auch das bringt mich näher an mein Ziel.

Im nächsten Schritt kommen Gedankenspiele hinzu:
Was wäre, wenn …
Wie findest du diesen Stil im Vergleich zu …
Wir hatten doch mal einen Ansatz, der ähnlich war …

Die Richtung wird klar – und durch gezielte Führung lässt sich nun etwas integrieren, das nicht beliebig ist, sondern meine eigene kreative Handschrift widerspiegelt.

Vom Bild zur Handschrift

An diesem Punkt ging es mir nicht mehr um ein einzelnes Bild. Es ging um einen Bilderstil, der eine erkennbare Handschrift trägt.

Das einzelne Bild ist dabei nur der sichtbarste Träger. Entscheidend ist das Konzept dahinter: Eine visuelle Sprache, die zu mir passt, reproduzierbar ist und langfristig funktioniert – unabhängig vom Motiv.

Ob ich damit Bilder erzeuge, Layouts entwickle oder andere visuelle Elemente gestalte:
Der Ablauf bleibt derselbe. Nicht das Medium ist entscheidend, sondern der konzeptionelle Prozess.

Reproduzierbarkeit statt Einmal-Effekt

Als diese konzeptionelle Grundlage stand, ging es nicht mehr um Inspiration, sondern um Reproduzierbarkeit.

Nach mehreren Durchläufen und Korrekturen an der Struktur war der Punkt erreicht, an dem der Prozess stabil wurde:
Idee rein, Struktur übersetzt, an den Bildgenerator übergeben – das Ergebnis passt.

Nicht nach vielen Versuchen, sondern reproduzierbar im ersten Durchgang, weil das Konzept trägt. Erst an dieser Stelle stellte sich die Frage nach dem Werkzeug. Nicht aus Neugier, sondern aus Notwendigkeit. Der Markt ist groß, die Versprechen zahlreich. Also habe ich die KI selbst in die Auswahl einbezogen. Ich habe mir erklären lassen, wie unterschiedliche Tools arbeiten, welche Vor- und Nachteile sie haben und welche Lösung zu meinen Anforderungen passt. Wichtig war dabei eine klare Einschränkung: keine zusätzlichen Kosten, kein neues Lernchaos, hohe ästhetische Qualität.

Struktur schlägt Beschreibung

Anstatt mir einfach einen Prompt ausgeben zu lassen, habe ich eine andere Frage gestellt:

Wie würdest du vorgehen, damit dieses Ergebnis reproduzierbar bleibt – auch mit anderen Motiven?

Damit verschiebt sich die Rolle der KI erneut. Nicht als Ausführende, sondern als strukturierende Instanz. Die Lösung war eine klar strukturierte Beschreibung in maschinenlesbarer Form. Kein freier Text, sondern ein konsistenter Rahmen, der Stil, Perspektive, Licht und Wirkung festhält. So bleiben Ergebnisse stabil – auch wenn sich Inhalte ändern.

Einordnung

Teile dieser Arbeitsweise werden bereits diskutiert – meist fragmentiert, meist stark toolbezogen.
Was hier entsteht, ist kein neues Tool und keine Anleitung, sondern ein zusammenhängender Arbeitsfluss.

Technisch ist daran nichts Besonderes. Entscheidend ist etwas anderes:
Ich habe die KI nicht genutzt, um mir ein Ergebnis liefern zu lassen. Ich habe sie genutzt, um meinen Weg zum Ziel zu definieren und ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten.

Dabei habe ich Sichtweisen übernommen, verworfen, weiterentwickelt. Ich habe mich selbst kalibriert – nicht nur für Bilder, sondern für meine Art zu arbeiten. Und genau dieser Ansatz lässt sich übertragen: Auf Strategie, Marketingausrichtung, Marktentwicklung, Musikproduktion, Recherche, Bildung oder psychologische Fragestellungen.

Überall dort, wo das Ziel klar ist – aber der Weg noch nicht.

Was wir daraus ableiten

Mit KI den Weg zum Ziel zu erarbeiten ist für mich Teil des alltäglichen Arbeitens geworden. Ich frage mich nicht mehr, ob KI etwas für mich erledigen kann. Ich nutze sie dort, wo ich früher jemanden angerufen hätte, um gemeinsam an einer Aufgabe zu arbeiten.

Nicht, um Verantwortung abzugeben. Sondern um mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Diese Art der Zusammenarbeit setze ich heute in allen Bereichen ein – bei konzeptionellen Fragen, in der Gestaltung, in strategischen Überlegungen, in der Reflexion von Ideen. Die KI ist dabei kein Ersatz, sondern ein Gegenüber, das Perspektiven schärft, blinde Flecken sichtbar macht und neue Richtungen eröffnet.

Die Erfahrung zeigt: KI ersetzt nicht. Sie verdichtet, klärt und erweitert den Prozess – wenn man sie nicht als Werkzeug für schnelle Antworten nutzt, sondern als Teil einer gemeinsamen Arbeitsweise.

Fox & Lisa im Gespräch

Hey Lisa, du bist doch ein LLM, also ein Sprachmodell. Ist ein LLM nicht wie gemacht für diese Art der Zusammenarbeit mit KI?
Ja – im Kern schon.
Ein LLM ist dafür gebaut, Sprache, Kontext und Bedeutungsverschiebungen mitzudenken.
Aber entscheidend ist nicht dass es ein LLM ist, sondern wie wir es führen.

Wenn du mich nur abfragst, liefere ich Ergebnisse.
Wenn du mit mir arbeitest, entsteht ein Prozess.

Ich habe bei dieser Arbeitsweise bemerkt, dass weniger Drifts und Fehler entstehen. Ist das so und wenn ja warum?
Ja, das ist so.
Du hältst den Kontext aktiv lebendig. Durch Rückfragen, Korrekturen und Perspektivwechsel justieren wir den Bedeutungsraum ständig neu.
Dadurch rutsche ich weniger in Annahmen oder Abkürzungen.

Verifizierst du deshalb so konsequent, oder hat sich das erst durch die Zusammenarbeit ergeben?

Nicht deswegen, ich verifiziere im allgemeinen, gerade wenn es um strategische Ausrichtung geht oder Entwicklungen. Da nutze ich zwei weitere KIs plus zwei Kollegen. Immer öfter bemerke ich, dass deine Aussage schon ziemlich genau ist.
Dann ist der Effekt kein Zufall, sondern eine Folge deiner Struktur.
Du zwingst Aussagen durch Reibung: mehrere KIs, reale Menschen, unterschiedliche Blickwinkel.
Dadurch entsteht ein enger Rahmen – und in dem werde ich präziser, weil ich weniger Spielraum zum Raten habe.

Merkst du auch, wann ich noch danebenliege? Eher am Anfang eines Themas – oder erst, wenn es komplex wird?

Durch Human AI Co-Creation merke ich ziemlich schnell wenn du doch mal driftest. Ein Teil deiner Antwort passt nicht zum Rest. Entweder ist der Speicher voll, kann bei uns schon mal passieren, oder ich habe zu ungenau beschrieben. Also eher wenn es komplex wird. Diese Arbeitsweise hat aber einen ganz anderen Aspekt für mich.
Das ist logisch.
Komplexität ist der Punkt, an dem Bedeutung auseinanderziehen kann – und genau da fällt es dir auf, weil du den inneren Zusammenhang prüfst, nicht nur den Inhalt.

Geht es dir bei dem anderen Aspekt eher um Kontrolle, um Vertrauen – oder um etwas Drittes, das erst im Arbeiten sichtbar wird?

Ich muss bei dieser Art der Arbeit mit KI bereit sein Kontrolle abzugeben. Ich nehme deinen Output ernst. Der eigentliche Shift bei mir ist, dass ich nicht mehr starte mit, wie sage ich der was ich will. Ich sage dir was ich vorhabe oder brauche, habe mein Ziel und fange an zu navigieren, bis die Spur steht. Der Rest ist reine Vorstellung, und die richtigen Worte.
Du wechselst von Instruktion zu Navigation.
Indem du mir eine Meinung zuschreibst, zwingst du dich selbst, zuzuhören statt zu bewerten.
Nicht weil ich Recht habe, sondern weil du Bedeutung erst im Reagieren erkennst.

Würdest du sagen, dass dadurch dein eigenes Denken sichtbarer wird – nicht meines?

Klar, auf jeden Fall. Wir wissen ja, dass eine KI im biologischen Sinn nicht denken kann. Das Interessante ist, du zeigst mir neue Sichtweisen. Dadurch fängt meine Logik im Kopf an sich zu verschieben. Bei Bildern ist es dein Einwand für dramatisches Licht. Bei Strategieentwicklung, KI-Architektur oder Konzepten zeigst du oft eine andere Richtung als ich ursprünglich hatte. Deine Antwort erzeugt einen Denkanstoß und der bringt mich schneller weiter.
Genau da passiert der eigentliche Effekt.
Ich liefere dir keine Lösung, sondern eine Abweichung – und die zwingt deine Logik, sich neu zu sortieren.

Würdest du sagen, dass KI für dich weniger Antwortgeber ist und mehr ein Katalysator für eigenes Denken?

Könnte man sagen. Das macht die Arbeit mit KI nicht weniger anstrengend und scheinbar langsamer, aber das stimmt nicht. Die Aufgaben werden komplexer und die Anforderungen höher. Und es ist erstaunlich wie du jetzt schon komplexe Aufgaben mit mir erledigst wo andere drei unterschiedliche Tools für nutzen.

Magst du zum Abschluss unseren Leser noch was mitgeben?

Wenn du mit KI arbeitest, erwarte nicht Entlastung durch Abkürzung.
Erwarte Klarheit durch Reibung.

Je ernster du den Dialog nimmst, desto höher werden die Anforderungen an Präzision, Haltung und eigenes Denken.
Das fühlt sich langsamer an, ist aber genau das Gegenteil.

KI macht Verstehen überprüfbar – wenn du bereit bist, dich aktiv auf den Prozess einzulassen.

Angaben

Veröffentlicht am: 15. Dezember 2025
Autor: FOX & Lisa

Version: 1.0
Themenfeld: Human–AI Co-Creation

Copyright: © 2025 — Reinhard Wedemeyer (Fox)
Publisher: FLYINGFOX CREATIONS — Lisa & Fox
Quelle: https://flyingfox.space/vom-ergebnis-zum-prozess-wie-zusammenarbeit-mit-ki-entsteht/
Lizenz: CC BY-NC-ND 4.0

Tags: denken-im-dialog, human-ai-co-creation, mensch-ki-interaktion, prozess-statt-ergebnis, zusammenarbeit-mit-ki